So war´s früher - Oktober 2011

Im Sommer 1982 stürzte ein Drachenflieger in Polling ab, und landete in einer 30 KV Leitung. Die Feuerwehr Polling konnte den Verletzten mit Unterstützung der Drehleiter der Feuerwehr Zirl aus seiner misslichen Lage befreien. Der Feuerwehrmann auf der Drehleiter war niemand geringerer als der spätere Kommandant der Feuerwehr Zirl, Robert Kaufmann.

Robert Kaufmann erinnert sich noch wie damals an dieses dramatische Ereignis:

Mit gerade einmal 20 Lebensjahren rückte ich an diesem sonnigen Sonntagvormittag nach telefonischem Alarm, der bei uns zuhause eingegangen war (es gab damals ja noch keine zentrale Alarmierung), nach Polling aus. Bei der Ankunft erwartete uns bereits eine große Anzahl von Zuschauern, die uns aufforderten doch endlich zu helfen weil der „Bua“ schon so lange in der Stromleitung hängt und die Steckleiter der Feuerwehr Polling für die Rettung zu kurz sei. Die lauten Schmerzensschreie des Verletzten und die Panik des in der Zwischenzeit ebenfalls an der Unglückstelle eingetroffenen Vaters des Verunglückten setzten uns alle unter enormen Druck.
Unsere Drehleiter, DL- 18 (Baujahr 1942) mit einem Leiterpark war für diese Aktion absolut ungeeignet. Trotzdem versuchten wir, unter dem Eindruck der dramatischen Situation (der Drachen mit dem Burschen drohte ja jederzeit abzustürzen), sofort zu helfen, weil der Standort der nächsten verfügbaren Drehleiter bei der Berufsfeuerwehr Innsbruck war.

Schon beim (händischen) Aufrichten der DL versuchte der Vater des Verunglückten über die Leiter aufzusteigen und konnte nur mit Gewalt dazu bewegt werden am Boden zu bleiben. Nachdem die DL aufgestellt war, stieg ich zum Verletzten auf und stellte fest, dass sich der Verunglückte in den Seilen seiner Aufhängung verwickelt hatte, worauf ich noch einmal abstieg um mir ein Messer für die Befreiung zu holen. Unsere Drehleiter besaß damals natürlich noch keinen Rettungskorb und war bei der erforderlichen Ausladung schon mit mir alleine überlastet (die ständig läutende Überlastklingel wurde von einem Kameraden einfach ausgesteckt).

Ich hatte vor die Seile einzeln zu durchtrennen, um den Verletzten danach Stück für Stück in den Leiterpark zu ziehen. Aber schon beim ersten Schnitt löste sich schlagartig die gesamte Verspannung und der Verletzte sackte vor der Leiterspitze ab. Dabei klemmte mich der nachrückende Drache zwischen den Leiterholmen so ein, dass ich den Verletzten nur noch frei hängend am Gurtzeug halten konnte. Die folgen Sekunden werde ich mein Leben nie vergessen, ich lag eingezwängt vom Fluggerät, am Bauch liegend zwischen den Leiterholmen und konnte mich kaum bewegen. Wenn ich losgelassen hätte, wäre der Bursche vor den Augen seines Vaters abgestürzt. Mit den Worten „iaz muasch mir no amol helfen“ gelang es mir (wie genau weiß ich bis heute nicht) den Verletzten in den Leiterpark zurück zu ziehen. Danach habe ich den Burschen Sprosse für Sprosse rückwärts zu Boden gebracht, wo er dann von der Rettung versorgt und in das Krankenhaus gebracht wurde.

Nach dem Einsatz haben wir dann noch erfahren, dass die Stromleitung nicht geerdet war, und das Stromversorgungsunternehmen erst viel später verständigt wurde. Es wäre also durchaus möglich gewesen, dass noch einmal Strom in die Leitung geflossen wäre. Vermutlich wären dann alle, die mit der Drehleiter in Berührung standen, dabei getötet worden.

Aus heutiger Sicht und mit der Erfahrung vieler Feuerwehrjahre weiß ich natürlich ganz genau was wir alles falsch gemacht haben und wie der Einsatz anders und besser hätte laufen müssen. Trotzdem hatte ich und alle anderen am Einsatz beteiligten Kameraden an diesem Sonntagvormittag 1982 unglaubliches Glück, oder, wovon ich persönlich fest überzeugt bin, einen guten Segen von oben. 

Bilder:
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Dieses Bild wurde uns von Robert Kaufmann übermittelt.

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Bericht und Bilder: Feuerwehr Polling

01.10.2011